Grüne besuchen Kurdistan/Silke Lode
Die Parallelen zwischen der kurdischen Bewegung Goran und den bayerischen Grünen halten sich in Grenzen - zumindest was das politische Programm angeht. Dennoch hat sich eine Delegation von fünf Grünen-Politikerinnen auf Einladung von Goran auf den Weg ins irakische Kurdistan gemacht. Statt um Umweltschutz geht es der politischen Bewegung mehr um Korruptionsbekämpfung oder den Wiederaufbau der Landwirtschaft, aber die Münchner Grünen-Chefin Katharina Schulze sieht dennoch Gemeinsamkeiten mit ihrer Partei: 'Goran rüttelt an den bestehenden Verhältnissen und stellt unbequeme Fragen.' Die 2009 gegründete 'Bewegung für Wandel' hat schon an Wahlen teilgenommen und auf Anhieb 25 Sitze im Regionalparlament gewonnen. Eine echte Parteistruktur oder Mitglieder hat Goran aber noch nicht. Auch deshalb sucht Goran Kontakte nach außen - um von anderen Parteien zu lernen, wie man sich organisiert.
Gemeinsam mit Katharina Schulze waren zwei Landtagsabgeordnete - Ulrike Gote und Landeschefin Theresa Schopper - sowie die beiden Stadträtinnen Gülseren Demirel und Jutta Koller unterwegs. Die Tatsache, dass die Grünen-Delegation nur aus Frauen bestand, führte unweigerlich dazu, dass das Thema Gleichberechtigung immer wieder zur Sprache kam. Auch kam es zu einem Treffen mit der Fraktionschefin der regierenden Zwei-Parteien-Koalition, deren Machtmonopol Goran in Frage stellen will, sowie zu einem Treffen mit allen weiblichen Abgeordneten des Regionalparlaments in Suleimanija. Eine Quotenregelung sorgt dafür, dass 30 Prozent der Parlamentssitze mit Frauen besetzt werden müssen. Unlängst waren sie sogar unter sich: Als eine Resolution gegen Ehrenmorde, häusliche Gewalt, Genitalverstümmelung und Selbstverbrennungen von Frauen verabschiedet wurden, verließen die Männer den Plenarsaal. Ihnen war das Thema unangenehm - aber sie stimmten nach der Debatte im Frauenkreis einhellig für die Resolution.
Bei ihrem dreitägigen Programm machten die Grünen auch Abstecher nach Erbil und Halabja, wo 1988 bei einem Giftgasangriff bis zu 5000 Menschen ermordet wurden. Bis heute ist der Angriff international nicht als Völkermord anerkannt, aber die Politikerinnen versprachen, dazu auf Bundesebene eine Initiative anzustoßen. In Suleimanija wurde die Delegation immer wieder gefragt, ob nicht eine Städtepartnerschaft mit München möglich wäre. Diese Hoffnung mussten die Grünen allerdings dämpfen: München hat bereits sieben Partnerstädte, eine Mehrheit für Suleimanija als achter Stadt würde sich wohl nicht finden. Trotzdem ist den Grünen daran gelegen, den Kontakt nicht zu einer einmaligen Sache werden zu lassen. So denken sie darüber nach, eine Goran-Delegation nach Deutschland einzuladen, da das Interesse an Themen wie Abfallwirtschaft, Wasseraufbereitung aber auch Wahlvorbereitungen und Listenaufstellungen groß ist.
Süddeutsche Zeitung