Der Konflikt zwischen der Türkei und der PKK schwappt erneut nach Deutschland
KKH e.V.: Die türkische Armee greift seit mehreren Monaten völkerrechtswidrig die Autonome Region Kurdistan/Irak (Südkurdistan) an. Kürzlich erreichten die Kampfhandlungen einen neuen Höhepunkt: Nach der Tötung von 26 Soldaten durch kurdische Guerilla-Kämpfer_innen bombardierten türkische Kampfflugzeuge mutmaßliche Stellungen der PKK in Südkurdistan. Erneut wurden hunderte kurdische Politiker_innen in der Türkei festgenommen. Die Türkei ist im Alarmzustand und dies löste eine politische Krise aus.
Mehrere hundert Kurd_innen und linke Aktivist_innen versammelten sich daher am 22. Oktober 2011 am Hermannplatz, um gegen den Einmarsch der türkischen Armee in Südkurdistan und die Verhaftungswelle gegen kurdische Politiker_innen zu protestieren. Türkische Nationalist_innen versuchten mit Fahnen oder Bozkurt-Gruß (Symbol der faschistischen „Grauen Wölfe“) aus ihren Wohnungen heraus, die Demonstrant_innen zu provozieren.
Am nächsten Tag, 23.10.2011, demonstrierten etwa 2000 türkische Nationalist_innen, darunter etwa 500 Anhänger der rechtsradikalen türkischen MHP und dessen militanten Arm "Graue Wölfe", vom Berliner Hermannplatz zum Kottbusser Tor gegen die PKK. Dabei wurden nationalistische und faschistische Parolen gerufen. Nach Abschluss der Demonstration versuchten etwa 250 Anhänger der „Grauen Wölfe“ die kurdische Einrichtung am Kottbusser Tor zu stürmen, was erst nach mehreren Versuchen durch die Polizei verhindert werden konnte. Es kam zu Handgreiflichkeiten zwischen Kurd_innen und rechtsextremen Türk_innen (auch in anderen Städten wie Stuttgart, Duisburg u.a).
Es ist nicht auszuschließen, dass es wie bereits im Jahr 2007 zu weiterer Eskalation in Berlin und in den anderen deutschen Städten kommen kann, wenn man nicht versucht, Dialog und Vertrauen zwischen der türkischen und der kurdischen Bevölkerung und deren Einrichtungen aufzubauen.
Es gilt, eine weitere Eskalation des gewaltsamen Konflikts zu verhindern und ihn mit zivilen Mitteln beizulegen. Dazu können staatliche, nicht-staatliche und internationale Organisationen einen Beitrag leisten. Deutschland könnte in dem Konflikt eine wichtige Rolle im Sinne präventiver Diplomatie und Politik spielen. Leider hat es diese Rolle bisher nicht zu Genüge wahrgenommen. NRO in Deutschland sollten sich bemühen, hiesige türkische und kurdische Verbände anzusprechen, und versuchen, mit ihnen einen kurdisch-türkischen Dialog in Deutschland in Gang zu setzen. Insbesondere müssen die türkischen Medien dazu angehalten werden, die Hetze gegen die gesamte kurdische Bevölkerung zu unterlassen.
QUALITÄTS-SIEGEL
Hinzukommt eine oftmals einseitige und negativ konnotierte Berichterstattung in den deutschen Medien zu Lasten der kurdischen Bevölkerung, was ihrem Erscheinungsbild und der Durchsetzung ihrer berechtigten Forderungen schadet.
Wie bei der gestrigen Erdbebenkatastrophe in Van sollten Menschen und Organisationen aus der ganzen Türkei – und aus Deutschland – für Betroffene gemeinsam Hilfe leisten und damit das Gefühl der Solidarität stärken.
Die PKK-Guerilla und die türkische Armee sollten unverzüglich unbegrenzten Waffenstillstand ausrufen! Nur dadurch kann der Weg für eine friedliche Lösung des Konfliktes geebnet werden.
Es ist an der Zeit, Dialog zu führen!
Der Vorstand
Berlin, 24.10.2011